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Interview mit Lea Dohm und Mareike Schulze zu »Klimagefühle«

Das Thema Klima ist emotional: Wut, Angst oder Hoffnungslosigkeit sind nur einige Beispiele für Emotionen, mit denen Menschen regelmäßig konfrontiert werden. In ihrem Sachbuch »Klimagefühle. Wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln«, thematisieren die Psychotherapeutinnen Lea Dohm und Mareike Schulze ihre Strategien für einen gesunden Umgang mit den eigenen Klima-Gefühlen und zeigen, wie man trotz Klimakrise psychisch gesund bleibt. Im Interview sprechen die beiden Gründerinnen der deutschen »Psychologists / Psychotherapists for Future«, kurz »Psy4F«, über ihre eigenen Erfahrungen mit der Klimakrise, die Idee zum Buch, welche Klimagefühle es gibt und was wir tun können, sowie über ihre Gefühle für die Zukunft.

Der Hintergrund zeigt ein zweigeteiltes Bild: Links verdorrte Erde mit kahlem Baum, rechts sattes Grün mit blühendem Baum.  Link ist ein kreisrundes Foto der Autorinnen abgebildet, rechts das Cover des Sachbuchs Klimagefühle als Taschenbuch Grafik.

Interview mit den Autorinnen Lea Dohm und Mareike Schulze

Überschwemmungen, Tornados und Dürre - die Auswirkungen der Klimakrise erreichen uns jetzt schon. Welche Reaktionen haben Menschen auf die Krise?

Ja, es ist tatsächlich so, dass die Auswirkungen der Klimakrise auch hierzulande immer stärker spürbar werden. Die meisten Menschen wissen, dass wir da ein großes Problem haben, fühlen sich aber überwiegend hilflos oder schieben diese Themen lieber komplett innerlich beiseite. Andere sind sehr bemüht, ihr Leben mehr in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten, verbleiben aber dabei bei nur kleinen individuellen Verhaltensänderungen, die der Dimension des Problems nicht mehr gerecht werde. Wie es gelingen kann, hinzusehen, sich von unangenehmen Gefühlen nicht überfluten zu lassen und zu einem passenden konstruktiven und wirksamen Handeln zu finden - das beschreiben wir in unserem Buch.

Wann haben Sie sich das erste Mal bewusst mit den Veränderungen des Klimas auseinandergesetzt?   

2019 als die Klimabewegung auch hier in Deutschland stärker und stärker in die öffentliche Wahrnehmung rückte, haben wir erstmals aus dem Blickwinkel als  Mütter damit begonnen, uns mit diesen Themen und den damit verbundenen furchtbaren Prognosen zu beschäftigen. Das Wissen, wie die Erderhitzung und auch der Alltag in einer Leistungsgesellschaft das Leben unserer Kinder schon heute beeinflussen, aber vor allem zukünftig extrem beeinflussen werden, erschien uns beiden ganz unabhängig voneinander geradezu unfassbar und hat uns zunächst hilflos zurückgelassen. Mit dem Wissen sind dann aber nach und nach auch Ideen entstanden, wie wir diesen unheilvollen Entwicklungen etwas entgegen setzen können.

Sie sind die Gründerinnen der Psychologists and Psychotherapists for Future. Wie kam es dazu?

Wir haben uns im Internet kennengelernt, genau genommen in einer Facebook Gruppe für Psychotherapeut*innen. Mareike erkundigte sich dort, ob auch andere Kolleg*innen einen Zusammenhang zwischen Psychologie, Psychotherapie und der Klimakrise sehen. Es kamen einige eher zurückhaltende Antworten, aber auch Leas Reaktion: »Ja, unbedingt!«. Wir haben dann einige Male telefoniert und schließlich die Entscheidung getroffen, die Psychologists for Future (Psy4F) zu gründen. Dazu haben wir zunächst Kontakt mit den psychotherapeutischen Fachverbänden aufgenommen und uns nach bestehenden Klima-Projekten erkundigt. Die gab es zwar damals noch nicht, aber über diese Anfragen kamen dann täglich neue Mitstreiter*innen hinzu. Heute sind wir im deutschsprachigen Raum ca. 1200 engagierte Kolleg*innen.

Wie entstand daraus die Idee ein Buch über Klimagefühle zu schreiben?

Uns war von Anfang an klar, dass wir - um das Klimabewusstsein auch in der breiten Bevölkerung zum Wachsen zu bringen - unsere eigene »Bubble« verlassen und auf Öffentlichkeitsarbeit setzen müssen. Ziel war es immer, psychologisches Fachwissen in Bezug zur Klimakrise anwendbar in die Bevölkerung zu bringen, um notwendige Transformationsprozesse professionell zu unterstützen. Gemeinsam mit anderen engagierten Psy4Fs starteten wir unsere Social Media Kanäle, begannen mit aktiver Pressearbeit und freuen uns nun natürlich besonders über die Gelegenheit, auch ein allgemeinverständliches Sachbuch schreiben zu können. Wir sind davon überzeugt, dass Kommunikation ein Schlüssel für mehr Klimabewusstsein ist. Die Verknüpfung mit unserem beruflichen Wissen ist somit für uns ein naheliegender Schritt, um unseren Beitrag in dieser Sache zu leisten.

Das Buch beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Klimagefühlen. Welche Klimagefühle gibt es überhaupt?

Anders herum würden wir wohl sagen: Es gibt kaum ein Gefühl, das in der Auseinandersetzung mit der Klimakrise nicht auftreten kann. Oft beginnt es mit einem untergründigen Unwohlsein oder auch Angst, hinzu kommen aber häufig Phasen von Traurigkeit - z.B. mit Blick auf die unter der Dürre leidenden und sterbenden Pflanzen und Tiere. Wut erleben viele, wenn sie sich klar machen, wie viele Menschen in Entscheidungspositionen über all diese dramatischen Entwicklungen lange Bescheid wussten und dennoch am “business as usual” festhalten. Aber auch Freude kann mit der Klimakrise verbunden sein - vor allem dann, wenn wir feststellen, dass wir selbst einen wichtigen Anteil an ihrer Bewältigung leisten können. Und das können wir alle.

Was wäre ein erster Schritt, um mit meinen Klimagefühlen umzugehen? Was kann ich tun, wenn ich von der aktuellen Situation überfordert bin?

Gefühle sind »Bedürfnisanzeiger«, daher ist es wichtig, sie im allerersten Schritt überhaupt erst einmal wahrzunehmen, zuzulassen und vor allem ernst zu nehmen. Wenn wir sie dann je nach Möglichkeit handlungsleitend einsetzen, kann uns das zu einem Leben im Einklang mit unseren Bedürfnissen und Werten verhelfen und unsere psychische Gesundheit verbessern.

Dennoch möchten wir auch nicht verschweigen, dass sich unsere Klimagefühle auch belastend anfühlen können. In diesem Fall kann z.B. Austausch mit anderen Menschen, die ähnliche Gefühle kennen, wirklich entlastend sein. Hinzu kommen einige andere psychotherapeutische Kniffe, die uns im Umgang mit unangenehmen Gefühlen helfen können und die wir im Buch vorstellen. 

Für wen haben Sie das Buch geschrieben?   

Für alle Menschen, die sich wie wir Sorgen machen wegen der Klimakrise. Die vielleicht zeitweise auch frustriert oder nur noch mit wenig Hoffnung in die Zukunft blicken oder unter dem Eindruck vertrocknender Bäume oder fehlender Insekten leiden. Die mit Blick auf die Politik vielleicht zeitweise nur noch den Kopf schütteln mögen oder sich fragen, ob sie die geplante Flugreise überhaupt noch mit ihrem Gewissen vereinbaren können.

Welche Reaktionen wünschen Sie sich auf das Buch?

Wir wünschen uns, dass sich viele Menschen in der ein oder anderen Gefühlsbeschreibung wiederfinden. Dass sie durch das Lesen vielleicht neuen Mut und Kraft erlangen, ihre ganz persönlichen Themen mit dem Klimaschutz zu verbinden und so zum Teil einer gemeinsamen Lösung werden. Wir wünschen uns auch, dass wir in diesen schwierigen Zeiten das Verständnis füreinander nicht verlieren. Dass wir statt uns z.B. in stillem Ärger zurückzuziehen, konstruktiv an einem Strang ziehen und die Sache gemeinsam, wirksam und konstruktiv angehen.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?   

Mit sehr gemischten Gefühlen! Wenn wir uns die Zukunftsprognosen anschauen, dann kommen in uns natürlich auch Gefühle wie Angst, Ohnmacht oder Trauer auf. Wir werden uns aber trotzdem oder gerade deswegen weiterhin für eine lebenswerte Zukunft einsetzen und jeden Hauch einer Chance nutzen, die Folgen der Klimakrise so gering wie möglich zu halten.

Wie es gelingen kann, die eigenen Gefühle als Kipppunkte für das eigene Erleben und Verhalten zu nutzen - genau das beschreiben wir in unserem Buch. Wir haben fest vor, mit gutem Beispiel voran zu gehen.

Vielen Dank an die Autorinnen für das Interview!

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