Im Interview mit Hanna Caspian
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Und haben Sie schon immer historische Romane geschrieben?
Hanna Caspian: Ich habe mich schon immer über das Schreiben ausgedrückt – schon als Schülerin bei der Schülerzeitung und als freie Mitarbeiterin für Tageszeitungen, später dann in meinem Studium der Literaturwissenschaften. Als ich damals an meiner Magisterarbeit schrieb und die Arbeit immer länger wurde, kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass ich auch selbst einen Roman schreiben könnte. Bisher hatte ich immer Texte über etwas verfasst. Doch dieses sich-eigene-Geschichten-ausdenken ist weit komplexer als nur schreiben können. Das habe ich in den nächsten Jahren gelernt. Mein erster veröffentlichter Roman – Tödliche Schöpfung – war tatsächlich ein Thriller über Gentechnologie. Was damals in meinem Roman noch ein kriminelles Experiment war, findet heute, mehr als zwanzig Jahre später, tatsächlich Anwendung in der Wissenschaft. So weit, so interessant. Dennoch sollte ich erwähnen, dass mein Niveau als Autorin seitdem deutliche Fortschritte gemacht hat.
Was hat Sie auf die Idee für die Gut Greifenau-Saga gebracht? Was verbinden Sie mit Ihrem Werk?
Hanna Caspian: 2014/2015 bin ich ein totaler Downton Abbey-Fan geworden. Natürlich wollten alle Verlage Downton Abbey-Stoffe haben, und alle Autorinnen wollten Downton Abbey-Geschichten schreiben. Ich aber wollte nicht die siebenundfünfzigste Grafensohn-verliebt-sich-in-Dienstbotin-Geschichte schreiben. Ich war gerade dabei, für meinen Roman „Die Kirschvilla“ einen historischen Aspekt zu recherchieren – den Volksentscheid zur Fürstenenteignung im Jahr 1926. Dabei bin ich auf das Thema „Ende der Monarchie in Deutschland“ gestoßen. Plötzlich wurde mir klar, was für ein großer Systemwechsel da innerhalb kürzester Zeit stattgefunden hat. Dann fiel mir noch eine Dokumentation in die Hände über den Sturz des Zaren durch das Geld der deutschen Regierung, beziehungsweise des deutschen Kaisers, einem Cousin des Zaren. Das Ganze bildet ein Pulverfass an Konflikten – genau das, was man für einen dramatischen und spannenden Roman benötigt. Sofort formte sich in meinem Kopf eine wunderbare Upstairs-Downstairs-Geschichte und alle Puzzleteile fielen an ihren richtigen Platz.
Was reizt Sie am Genre des historischen Romans?
Hanna Caspian: Ich möchte mir gerne selbst interessante und komplexe Vorgänge erklären. Wie oben gesagt war plötzlich das Thema „Ende der deutschen Monarchie“ in meinem Leben. In der Schule hatte ich wie alle im Schnelldurchgang den Ersten Weltkrieg durchgenommen. Der Krieg wurde verloren und der Kaiser musste gehen. Eine ziemlich simple Erklärung dessen, was tatsächlich passiert ist. Einmal auf dieses Thema gekommen, wollte ich gerne in die Tiefe gehen. Und so geht es mir eigentlich jedes Mal. Ich möchte mir selbst einen Umstand der Geschichte erklären. Wenn ich mir dann das Wissen angeeignet habe, kann ich das leicht verdaulich für andere in einer spannenden Weise aufbereiten. Es gibt nämlich furchtbar viele Vorkommnisse in der Vergangenheit, die wirklich spannend sind, wenn man einen Blick hinter den Vorhang der schnöden Geschichtsschreibung wirft.
Was wird Ihnen am meisten an Gut Greifenau fehlen, nachdem die Saga nun abgeschlossen ist?
Hanna Caspian: Gut Greifenau ist mir in den sechs Bänden, in den fast 3500 Seiten, doch sehr ans Herz gewachsen. Es ist ein Stück bekannte Welt, eine Art zweite Heimat, in der ich mich bestens auskenne. Vor meinem inneren Auge sehe ich die ausgetretenen Stufen der Dienstbotentreppe. Ich sitze mit Rebecca oben im Salon und trinke mit ihr Kaffee, begleite Albert in die Remise und besuche mit Katharina die Vorlesungssäle der Charité. Ich fiebere mit Wiebke mit und fluche gemeinsam mit Bertha. All die Figuren, all die Orte sind mir sehr vertraut geworden. Wie Freundinnen und Freunde, die man schon häufig besucht hat. Sie hinterlassen eine Lücke in meinem Herzen. Dennoch hoffe ich, dass mir die Figuren meiner neuen Trilogie ähnlich nahe kommen.
Haben Sie eine Anekdote, die im Laufe der Entstehung der Saga entstanden ist?
Hanna Caspian: Alle fünf Bände, die bereits erschienen sind, haben auf der SPIEGEL-Bestsellerliste gestanden. Zwei davon sogar unter den Top-Ten. Das ist natürlich ein Meilenstein, den jede Autorin in ihrem Leben erreichen will. Mich erreichte die Nachricht bei Band 1 mitten im Urlaub auf Zypern. Daraufhin bin ich los und hab mir Sandalen gekauft, die ich am Tag zuvor gesehen, aber aus Gründen der Sparsamkeit dann doch nicht gekauft hatte. Doch dann habe ich mir diese schönen Stücke gegönnt. Das sind und bleiben vermutlich für alle Zeiten meine Bestseller-Schluppen.