Ihr Mordwerkzeug: eine Drohne. Ihr Spielzeug: Feuer.

Ein Todesfall mit zu vielen Ungereimtheiten. Rechtsmediziner Paul Herzfeld ermittelt auf eigene Faust und erkennt, dass er einem Skandal auf der Spur ist. Die Gesundheit der Bevölkerung Norddeutschlands ist bedroht. Seine Ermittlungen bleiben nicht unentdeckt. Bald verfolgt ihn eine eiskalte Killerin auf Schritt und Tritt. 

 

Leseprobe

Abgefackelt

Der hagere Mann in dem dunkelbraunen Sakko stieß die Fahrertür des silbernen Mercedes auf, kaum dass dieser ausgerollt war. Sie hatten alles durchwühlt, die Akten waren verschwunden und der Laptop natürlich auch. Er hatte keine Zeit gehabt zu prüfen, was sie sonst noch mitgenommen hatten, aber er vermutete, dass sie gründlich gewesen waren. Das hier war seine letzte Chance zu retten, woran er jahrelang gearbeitet hatte und was der Grund dafür war, warum er in den letzten Wochen nachts kaum noch ein Auge zugemacht hatte. Die einzige Möglichkeit, ihnen noch zuvorzukommen. Aber nur, wenn er sich jetzt beeilte.

Das fahle Licht der Straßenlaternen zeichnete harte Schatten auf das kantige Gesicht des Mannes, als er hastig aus dem Wagen stieg. Sofort wurde er von dem eisigen Regen in Empfang genommen, der seit dem Nachmittag ununterbrochen auf Schleswig-Holstein niedergegangen war und jetzt in den Nachtstunden an Intensität sogar noch zugenommen hatte. Vom Schwung seiner allzu eifrigen Bewegung mitgetragen, rutschte er im losen Schotter der nassen Einfahrt aus und strauchelte, doch er konnte sein Gleichgewicht im letzten Moment noch wiederfinden.

Er eilte in großen Schritten um den Wagen herum, dessen Motor immer noch lief. Er hatte sich nicht damit aufgehalten, ihn auszuschalten. Jetzt zählte jeder Augenblick. Der Mann öffnete den Kofferraum und entnahm zwei große, dunkle Sporttaschen. Auf dem Weg zum Eingang des dunkelroten Backsteingebäudes, eines Flachdachbaus aus den 1950er-Jahren, zerrte er eine Keycard aus der Innentasche seines für die nächtlichen Wintertemperaturen viel zu dünnen Sakkos, das schon nach wenigen Augenblicken von den Regenmassen völlig durchnässt war.

Im Licht der Scheinwerferkegel probierte er mehrfach vergeblich, die Keycard in die richtige Position vor das elektronische Türschloss zu bringen, bis sich endlich mit einem metallischen Klacken die Verriegelung des Schlosses öffnete. Der Mann drückte mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die schwere Metalltür. Als er im Haus war und sich umdrehte, um die schwergängige Tür wieder zu schließen, glaubte er für einen Moment einen Schatten zu sehen, hinter den flachen Büschen, dort, wo ein Weg zum zweiten Gebäudeflügel der Klinik führte. Sind sie etwa schon hier?

Er sah noch einmal genau hin.

Nein. Da ist niemand. Niemand weiß, was ich vorhabe. Oder? Sind sie mir gefolgt? Habe ich sie schon wieder unterschätzt?, ging es ihm panisch durch den Kopf. Ich muss mich beeilen, die Unterlagen und die Gewebeproben …

Eilig drückte er die Tür von innen ins Schloss und betätigte den Lichtschalter neben dem Türrahmen. Die Neonröhren an der Decke des einzigen Raumes in dem eingeschossigen Gebäude erwachten summend nacheinander zum Leben und verbreiteten ihr unangenehm flackerndes, bleiches Licht in den Gängen zwischen Hunderten von offenen Metallregalen. Zielstrebig ging der Mann an den bis knapp unter die Decke reichenden Regalen entlang, vorbei an endlosen Reihen von Aktenordnern voller Patientendaten, Untersuchungsbefunden und weiterem Archivmaterial, weiter zu seinem eigentlichen Ziel, den großen Metallschränken am Stirnende des Raumes. Auch diese schritt er mit schnellen Schritten ab, bis er schließlich vor dem richtigen Schrank angekommen war, der wie die übrigen aus aufeinandergetürmten Stahlblechboxen bestand. Hier waren allerdings keine Akten verstaut, sondern Pappmappen mit hauchdünnen Schnitten menschlicher Organe, aufgezogen auf gläserne Objektträger, sowie Hunderte von menschlichen Gewebeproben, eingegossen in kleine Paraffinblöcke und damit haltbar gemacht für die Ewigkeit und bestimmt für die Untersuchung durch den Pathologen am Mikroskop.

Gehetzt wischte sich der Mann die vom Regen klatschnassen Haare aus der Stirn und riss die metallenen Schubfächer auf, wobei er sich systematisch von unten nach oben vorarbeitete, bis er schließlich fand, was er suchte. Er warf einen prüfenden Blick auf die Beschriftung der Gewebeproben. Jeder Paraffinblock enthielt eine sechsstellige Ziffernfolge sowie eine Jahreszahl, was ihn einer bestimmten Krankenakte und somit einem Patienten zuordnete.

Mit geübten Griffen zog der Mann hastig Objektträger und Paraffinblöcke heraus und stopfte sie in die beiden Sporttaschen, bis diese zum Bersten gefüllt waren.

Er packte die Tragegriffe der Taschen, die er nun kaum noch vom Boden hochheben konnte, und schleifte seine Beute gerade zurück in Richtung Eingangstür, als es mit einem Schlag dunkel wurde. Alle Neonleuchten in dem fensterlosen Gebäude hatten gleichzeitig, mit einem letzten bedrohlichen Summen, ihren Geist aufgegeben.

Das passierte nicht zum ersten Mal, einige der altersschwachen Deckenlampen in diesem Gebäude fielen in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder aus – allerdings hatte er einen solchen kompletten Stromausfall hier im Archivgebäude bisher noch nie erlebt.

Die Taschen im Schlepptau, stolperte der Mann die letzten Meter durch die Dunkelheit, bemüht, sich nicht an einem der Regale zu stoßen.

Er hatte Glück. Schon nach wenigen Schritten bemerkte er am Ende des Gangs einen Lichtschimmer am Boden. Ein schwacher Lichtschein, der von draußen unter dem Türschlitz hindurchfiel und von den eingeschalteten Scheinwerfern seines Wagens stammen musste, der immer noch mit laufendem Motor vor dem Archivgebäude stand.

Der Mann stellte die Taschen schnaufend neben sich ab und tastete in der Dunkelheit nach der Türklinke. Irritiert stellte er fest, dass sein Schritt ein leise platschendes Geräusch verursachte.

Eine Pfütze. Verdammter Regen. Vermutlich steht das Wasser draußen inzwischen derart hoch, dass es schon über die Türschwelle ins Gebäude eindringt. Auch hier ist mal wieder am falschen Ende gespart worden, dachte er bitter. Und jetzt nichts wie raus.

Er drückte die Klinke herunter, doch die schwere Metalltür ließ sich nicht öffnen.

Er drückte die Klinke noch einmal.

Nichts.

Da diese Tür den einzigen Fluchtweg aus dem Gebäude darstellte, hätte sie sich eigentlich problemlos von innen öffnen lassen sollen. Aus diesem Grund gab es hier am Ausgang auch kein Lesegerät für die Magnetkarte, die das elektronische Türschloss öffnete.

Der Mann rüttelte erneut an der Türklinke und drückte von innen gegen die Tür, aber sie ließ sich keinen Millimeter weit bewegen.

Verdammter, beschissener Stromausfall!

Ärgerlich stemmte er sich jetzt mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen, aber es war nichts zu machen. Die massive Stahltür blieb verschlossen. Einen weiteren Fluch unterdrückend, überlegte der Mann fieberhaft, wie er sich aus seinem Gefängnis befreien konnte.

Ich muss raus hier, sofort!

Die Panik brach über ihm zusammen wie die Brandung über einem unglücklichen Schwimmer. Seine Gedanken begannen hektisch zu kreisen, während er von der Metalltür zurücktaumelte und an einem Hindernis hängen blieb, das er zu spät als eine seiner beiden Sporttaschen erkannte. Er ruderte mit den Armen in der Luft, suchte verzweifelt nach Halt, fand ihn für einen Moment zu seiner Rechten – dann riss er ein paar Aktenordner aus dem Regal direkt neben ihm mit sich zu Boden. Er versuchte, den Sturz mit den Händen abzufedern, doch vergeblich. Seine rechte Hand rutschte in der Flüssigkeit weg, und er schlug hart auf. Fluchend rieb er sich sein schmerzendes Gesäß, bis er die Feuchtigkeit bemerkte, die jetzt den Stoff seiner Hose durchnässte. Kein Wunder, er war direkt in die verdammte Pfütze gefallen.

Verfluchter Mist!

Aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Er musste erst einmal hier rauskommen. Das vor allem anderen.

Da nahm er den Geruch wahr. Er roch an seiner Hand. Ein beißender, irgendwie chemischer Geruch, der ihn an die kleine Jolle seines Vaters denken ließ und an das gleichmäßige Tuckern des Außenbordmotors, in dessen Nähe er immer am liebsten gesessen hatte, wenn sie gemeinsam auf Bootstour gegangen waren. Der Geruch kam ihm mit jedem Atemzug intensiver vor.

Das hier ist kein Regenwasser. Verdammt, es ist …

Während sein Gehirn mühsam versuchte, die Eindrücke in die richtige Beziehung zueinander zu setzen, sah er eine Bewegung in dem schmalen Lichtspalt unter der Tür. Ein Schatten, Schritte.

Da ist jemand auf der anderen Seite der Tür!

»Hallo?«, rief der immer noch in der Pfütze am Boden sitzende Mann und ärgerte sich darüber, wie schwach und brüchig seine Stimme plötzlich klang. Wie seine Angst förmlich darin mitschwang. Er versuchte es noch einmal, lauter. »Hallo? Hören Sie mich? Ich bin hier eingesperrt. Sehen Sie das Schloss? Neben der Tür, ein Metallkasten. Sie müssen …«

Er brach ab und starrte auf den Lichtspalt unter der Tür.

Der Schatten bewegte sich für einen kurzen Moment erneut, dann nicht mehr. Wer immer da draußen ist, er hätte mich hören müssen. Er hätte …

Seine Gedanken kehrten zurück zu dem Geruch. Der ganze Raum war jetzt davon erfüllt. Seine Lunge schmerzte, als er die Luft mit dem nächsten Atemzug tief einsog.

Und dann wurde es ihm schlagartig klar.

Benzin!

Abgefackelt

Echte Fälle, authentische Ermittlungen: True Crime von Deutschlands bekanntestem Rechtsmediziner Michael Tsokos

Rechtsmediziner Paul Herzfeld steckt sein letzter Fall noch in den Knochen, weshalb er vorübergehend von Kiel nach Itzehoe auf eine vermeintlich ruhigere Stelle in der Pathologie versetzt wird. Doch statt der erhofften Ruhe erwartet ihn dort eine ausgebrannte Ruine des Klinikumarchivs, in der nicht nur unzählige Akten und Gewebeproben verbrannten, sondern auch ein Pathologe sein Leben verlor. Ein Todesfall mit zu vielen Ungereimtheiten, wie Herzfeld findet. Und je weiter er nachforscht, desto klarer wird, dass er einem Skandal ungeheuren Ausmaßes auf der Spur ist. Die Gesundheit der Bevölkerung Norddeutschlands ist ernsthaft bedroht. Seine Ermittlungen auf eigene Faust bleiben nicht lange unentdeckt, denn bald verfolgt ihn eine eiskalte Killerin auf Schritt und Tritt. Ihr Mordwerkzeug: eine Drohne. Ihr Lieblingsspielzeug: Feuer. Während immer mehr Leichen auf Paul Herzfelds Sektionstisch landen, bringen seine Nachforschungen den Rechtsmediziner erneut in akute Lebensgefahr.

Ein brandneuer Fall für Rechtsmediziner Paul Herzfeld – ein Wettlauf gegen eine eiskalte Killerin und die Flammen der Zerstörung.

»Abgefackelt« ist der 2. Band der True-Crime-Thriller-Reihe um Paul Herzfeld, Band 1 der Trilogie ist unter dem Titel »Abgeschlagen« erschienen. Die Thriller-Reihe erzählt die Vorgeschichte des Rechtsmediziners Herzfeld aus dem Thriller »Abgeschnitten« von Sebastian Fitzek und Michael Tsokos.

Taschenbuch 12,99 €
E-Book 9,99 €

»Nur ein Profi wie Michael Tsokos, der das Grauen aus erster Hand kennt, kann dieses kalte Schaudern und die Gänsehaut erzeugen, gegen die auch kein Friesennerz hilft.«

Axel Prahl

Alex Prahl

»Es scheint fast so, als ob Dr. Paul Herzfeld bei Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne sein rechtsmedizinisches Handwerk gelernt hätte. Sehr ordentlich!«

Jan Josef Liefers

Jan Josef Liefers
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TV-Termin:
12.03. - MDR um vier

 

 

 

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